Die Übungsfirma

Das Konzept der Übungsfirmenarbeit hat eine lange Geschichte, die bis ins Jahr 1920 zurückreicht, als Unternehmen begannen, Geschäftsbriefwechsel zu Übungszwecken zu betreiben. Die erste Übungsfirma entstand 1954 und seitdem hat sich das Konzept der Übungsfirmenarbeit stetig weiterentwickelt.

Heute bieten Übungsfirmen ein breites Spektrum an Möglichkeiten, um Wirtschaft neu zu denken und zu erproben, globale Zusammenhänge zu verstehen, internationalen Austausch und Zusammenarbeit zu erfahren, sowie interkulturelle Kompetenzen zu erlernen (inkl. Erweiterung der Sprachkenntnisse). Dabei werden auch digitale Werkzeuge in der täglichen Praxis professionell eingesetzt.

Die heutige Übungsfirmenarbeit ist vielseitig u.a.

  • als Praxisanteil einer theoretischen Ausbildung in berufsbildenden Schulen, in bestimmten Fächern allgemeinbildender Schulen oder zur Berufsorientierung.
  • in kaufmännischen oder anderen Bereichen der Weiterbildung.
  • in Unternehmen, die in der betrieblichen Ausbildung und im betrieblichen Gesamtzusammenhang spezielle Ausbildungsinhalte komprimiert vermitteln wollen.
  • in der Rehabilitation als Teil der Arbeitsbelastungserprobung.

Übungsfirmen werden unter anderem betrieben von Berufsbildungswerken, Berufsförderungswerken, Schulen, Akademien, Hochschulen und Wirtschaftsunternehmen.

Der größte Teil der Übungsfirmen in Deutschland wird von der jeweiligen Trägerorganisation als  klassische Variante in Eigenverantwortung betrieben. 2018 wurde dieses Konzept um das Modell der virtuellen  Übungsfirma 4.0 erweitert. Die Übungsfirma 4.0 wird von der Zentralstelle zur Verfügung gestellt und kann von Organisationen wie z.B. Bildungsträgern, Reha- und Suchtkliniken oder Wirtschaftsunternehmen, die selbst keine Möglichkeit haben, eine Übungsfirma zu betreiben, kostengünstig und bequem genutzt werden.

Wie in einer realen Volkswirtschaft bilden die Übungsfirmen einen Wirtschaftskreislauf.

Unternehmen sind die Übungsfirmen, private Haushalte sind die Übungsfirmenmitarbeiter*innen, die wie im echten Leben Geld (fiktiv) durch ihre Arbeit verdienen und dieses für Einkäufe bei anderen Übungsfirmen ausgeben. Staatliche Aufgaben übernimmt die Zentralstelle, so dass Unternehmen und Mitarbeiter*innen beispielsweise Steuern zahlen. Dadurch werden Marktzusammenhänge und Unternehmensstrukturen klarer und Beziehungen zwischen Abteilungen verständlich.

In einem überschaubaren Format wird das gelernt, was sich im realen Leben später abspielt. Das beinhaltet Wissen über Strukturen, Unternehmensprozesse, kaufmännische Abläufe und Qualitätsmanagement.

Die sogenannte SimÜFA bietet sich an, um fachliches Wissen besser trainieren und Themen unabhängig von den aktuellen Geschäftsinhalten der Übungsfirma gestalten zu können. Die SimÜFA simuliert Arbeitsprozesse und -aufgaben, die je nach Bedarf bearbeitet werden können.

Neben dem klassischen Modell der Übungsfirmenarbeit wird das Konzept der Übungsfirma, vor allem international, auch mit anderen Schwerpunkten eingesetzt. Kaufmännische Abläufe rücken in den Hintergrund und zum Beispiel Produktinnovationen in den Vordergrund. Das Übungsfirmenkonzept bietet heute zahlreiche Ansätze und neue Chancen.

#Übungsfirma neu gedacht

Neue Konzepte in der Übungsfirmenwelt stellen neben kaufmännischen Aspekten auch andere Schwerpunkte in den Vordergrund beispielsweise interkulturelle Zusammenarbeit, Projektarbeit oder nachhaltiges Wirtschaften (SDGs).

International haben weitere Themen wie z.B. Gender Equality, Produktinnovationen und professionelle Projektarbeit mit Hilfe des Design Thinking Ansatzes ihren Weg in die Übungsfirmenarbeit gefunden.

#digitales Arbeiten
Die Abbildung vermittelt zentrale Aspekte der Digitalisierung, die in fünf Bereiche unterteilt sind: Prozesse, Kollaboration, Skills, Tools und KI (Künstliche Intelligenz).

In der Übungsfirmenarbeit kommen heute aktuelle digitale Werkzeuge und Kollaborationstools zum Einsatz: So werden Meetings via Skype, Teams o.ä. abgehalten, internationale Handelstage finden online auf speziellen Messe- und Handelsplattformen statt, Webshops sind fast schon ein Standard für jede Übungsfirma.

Außerdem gibt es online Werbeboards, einen Marketplace (ähnlich wie ebay) und die Möglichkeit, mit Office-Anwendungen gemeinsam in der Cloud zu arbeiten. Seit einigen Jahren kann sogar die gesamte Übungsfirmenarbeit webbasiert erfolgen, beispielsweise in der WebÜFA.

Im Rahmen eines Erasmus+-Projekts hat die Zentralstelle gemeinsam mit Partnern aus dem internationalen Übungsfirmennetzwerk Werkzeuge zur Förderung digitaler Fertigkeiten entwickelt. Diese sind kostenlos abrufbar unter Projekt DIGIPRAC

In Zukunft wird sich auch die Nutzung von KI in den Übungsfirmen immer mehr etablieren, um alle Möglichkeiten zu erproben und den Umgang mit ChatGPT und den zahlreichen weiteren Tools zu erlernen.

Übungsfirmen – Ein Konzept mit Geschichte

An der PH Weingarten wird die erste deutsche Übungsfirma an einer Hochschule gegründet

Das Trainingsmodul Sim-ÜFA wird in das Portfolio der Zentralstelle aufgenommen.

Veröffentlichung des Lehrbuchs für Buchhaltung, Teil 2 »Commission und Factorey« durch Ambrosius Lerice in Danzig, in dem sich erste Spuren der Übungsfirmenidee finden lassen: Der Autor lässt einen fiktiven Kaufmann Peter Winst fiktive Geschäfte führen, die die Schüler erfassen und verbuchen sollen

Erste Verbände in Europa betreiben zu Ausbildungszwecken Geschäftsbriefwechsel miteinander. Hieraus entstehen sogenannte Briefwechselbundfirmen, die späteren Schein- bzw. Übungsfirmen

Gründung der ersten »echten« deutschen Übungsfirma in Bremen

In Witzenhausen wird die älteste deutsche Übungsfirma gegründet, die heute noch aktiv ist

Erste Internationale Übungsfirmenmesse in Karlsruhe

Gründung der Bfz-Essen GmbH (damals: Bfz-Essen e.V. Berufsförderungszentrum)

Gründung der Zentralstelle des Deutschen ÜbungsFirmenRings (ZÜF) mit Sitz in Essen als Servicestelle für 80 deutschlandweit tätige kaufmännische Übungsfirmen

Aufnahme aller bis dahin von der Zentralstelle in Heidelberg betreuten Übungsfirmen durch die Zentralstelle in Essen

Start des EU-Projektes EUROPEN (Europäischer Übungsfirmenring)

Gründung des internationalen Netzwerks EUROPEN-PEN International e.V. mit Sitz in Essen, u.a. durch Unterstützung mit Fördermitteln des Landes NRW

50. Internationale Übungsfirmen Messe in Essen

Gründung der ersten digitalen Übungsfirma 4.0

1. Virtuelle Internationale Übungsfirmenmesse

Das Konzept der stationären Übungsfirma wird um die digitale, webbasierte Infrastruktur der WebÜFA erweitert.